Grenzenlose Liebe
Begonnen hatte alles vor rund 100 Jahren mit der großen Liebe zwischen einem Hasen und einem Rehbock. So groß soll diese Liebe gewesen sein, dass beide Tiere ein gemeinsames Junges zur Welt brachten. Als die anderen Waldtiere nun das gehörnte Hasenbaby sahen, muss ihnen bewusst geworden sein, dass Liebe tatsächlich jede Grenze sprengen kann.
Und nachdem sich auch Hase und Ente, Marder und Hecht, Fuchs und Fasan irgendwie gefunden hatten, entstand eben der Wolpertinger – ein Mischwesen aus allem, was in den Alpen so kreucht und fleucht. Kein Wunder also, dass kein Wolpertinger dem anderen gleicht: Zwar besitzen viele Exemplare einen gehörnten Hasenkopf mit Entenflügeln, doch es sollen bereits Tiere mit dem Körper eines Wildschweins oder sogar den Flossen eines Hechts gesichtet worden sein.
Eine bekannte Jagdregel lautet übrigens: Wolpertinger können ausschließlich von jungen, gutaussehenden Frauen gesichtet werden, wenn diese sich in der Abenddämmerung bei Vollmond der Begleitung eines rechtschaffenden, zünftigen Mannsbildes anvertrauen, das die richtigen Stellen an abgelegenen Waldrändern kennt.
Rainer Zenz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Ist ein Wolpertinger gefährlich?
Obwohl ein Wolpertinger recht gefährlich aussehen kann, sollte eine Begegnung mit dem friedfertigen Tier in der Regel harmlos verlaufen: Nur Wurzeln und Kräuter, gelegentlich auch einmal kleinere Tiere und Insekten stehen auf seinem Speiseplan, keine ausgewachsenen Menschen.
Jedoch sollte man sich vor seinem Speichel in acht nehmen. Berührt dieser nämlich die Haut, beginnen dicke Haarbüschel an dieser Stelle zu sprießen. Fühlt sich der Wolpertinger bedroht, so spritzt er wie ein Stinktier eine übel riechende Flüssigkeit auf seinen Angreifer ab. Der bestialische Geruch kann weder mit Seife, Deodorant oder Parfüm entfernt oder überdeckt werden, verschwindet aber nach genau sieben Jahren wie von Zauberhand.
Wissenschaftliche Zweifel berechtigt – oder etwa doch nicht?
So etwas kann es doch gar nicht geben, sagen Sie jetzt? Zweifelsohne stimmen Ihnen sämtliche Wissenschaftler und Biologen zu: Eine Paarung zwischen Vögeln und Wildschweinen, Fischen und Nagetieren – völlig unmöglich! Tatsächlich wurde noch kein einziges Exemplar lebend gefangen.
Böse Zungen behaupten sogar, der Wolpertinger habe an einem ganz anderen Ort das Licht der Welt erblickt: Nämlich in der Werkstatt eines scherzfreudigen Tierpräparators. Dieser soll - wie ein tierischer Doktor Frankenstein - verschiedene Teile von Tieren einfach zusammengesetzt und an ahnungslose Touristen verkauft haben.